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Projektdisposition (ab profacto pps)

Fertigungssteuerung mit der Projektdisposition

Einführung

Für die meisten handwerklich arbeitenden Betriebe ist die auftragsorientierte Fertigung der gängige Weg in der Produktion. Gerade bei permanent wechselnden Anforderungen und auch bei Standardproduktion, die laufend in unterschiedlichen Massen und Materialien abgefordert werden, ist die Fertigung auf Basis der im Projekt hinterlegten Stücklisten praktisch der einzig gangbare Weg.
Sobald jedoch eine Standardisierung möglich ist und Produkte mit festen Spezifikationen angeboten werden, bietet sich eine Vorfertigung an, um bei Auftragsspitzen aus dem Lager liefern zu können. In umsatzschwachen Zeiten kann das Lager dann wieder gezielt aufgefüllt werden.
Bei der tatsächlichen Abwicklung von Aufträgen stellt sich bei der Vorfertigung jedoch das Problem, daß ein Unterscheid besteht zwischen der Bedarfsmenge, die ein Kundenauftrag anfordert und der gegebenenfalls zu produzierenden Menge. Betrachtet man die Problematik nur auf Ebene der Endprodukte, ergibt sich im einfachsten Falle, daß eine Teilmenge der benötigten Produkte am Lager liegt und ein anderer Teil eben nachgefertigt werden muß. Weiterführend könnte es aber sein, daß das Endprodukt gar nicht am Lager geführt wird, sondern nur bestimmte Komponenten vorgefertigt werden, die platzsparend, noch nicht zusammengebaut gelagert werden. Die tatsächliche Ermittlung des Produktionsbedarfs verlagert sich somit auf die Komponenten eines bestimmten Produkts. Diese Komponenten können aus weiteren Komponenten bestehen, so daß im Endeffekt ein rekursives Problem gelöst werden muß.
Die nun tatsächlich zu produzierenden Komponenten könnten nun natürlich im Rahmen des Kundenauftrags ermittelt und von dort aus auch beauftragt werden. Wir haben uns bei der Lösung der Aufgabenstellung dagegen entschieden und stattdessen die in profacto bereit eingesetzten Fertigungsaufträge verwendet.
Weiterhin stellt sich bei der Deckung eines Auftragsbedarfs immer die Frage nach Eigen- oder Fremdfertigung. Aus diesem Grund wird im Zuge des Dispositionsvorgangs für jede Baugruppe abgefragt, ob diese gefertigt oder eingekauft werden soll. Grundregel in profacto ist, daß nur definierte Baugruppen bestellt werden können - '''implizit definierte Bauteile, also Stücklistenteile, die mit Trägermaterial, Kanten und Belägen ausgestattet sind, können derzeit nicht bestellt werden'''. Sie müssen diese als Stücklistenteil an einen neuen Baugruppenartikel hängen, denn nur so ist eine eindeutige Identifikation, eine Lagerbestandsführung und die Verwaltung möglicher Lieferanten gegeben.
Ein zweiter Aspekt der Fertigungssteuerung ist die Zeitdisposition. Ist ermittelt, was zu fertigen ist, interessiert die dafür in der eigenen Fertigung benötigte Kapazität. Mit der Zeitdisposition kann auf jede Tätigkeit entschieden werden, ob diese intern durchgeführt wird oder als externer Prozessschritt ausgelagert wird. Extern ausgelagerte Prozessschritte führen im Gegenzug zu Lieferzeiten, die die Weiterverarbeitung bestimmter Komponenten beeinflussen.
Letztlich ist bei der Erzeugung von Fertigungsaufträgen auf die richtige Reihenfolge zu achten, damit Komponenten, die in anderen Komponenten verbaut werden, frühestmöglich produziert werden.

Durchführung der Projektdisposition

Mit dem neuen Befehl '''Bedarfsvorschau anzeigen''' wird die obige Aufgabenstellung für Lagerfertiger erfüllt. Markieren Sie in der '''Projektübersicht''' ein oder mehrere Projekte und rufen Sie den Befehl im Menü '''PPS ''' auf. Es erscheint ein erster Übersichtsdialog, in dem alle Positionen mit Artikeln aufgeführt werden. Für jeden Artikel wird aufgeführt, 

  • in welcher Menge er benötigt wird, 
  • was der Lagerbestand ist, 
  • wieviel Reservierungen existieren
  • in welcher Menge er bestellt ist
  • in welcher Menge er schon in freigegebenen Fertigungsaufträgen in Produktion ist

Daraus wird ermittelt, welcher rechnerische Produktionsbedarf sich dadurch ergibt. Gleichzeitig wird auch ein sogenannter "virtueller Lagerbestand" ermittelt, der die obigen Größen zusammenrechnet und somit aus dem realen Lagerbestand minus Reservierung plus der Bestellung/Fertigung einen projizierten Lagerbestand darstellt.
Weiterhin können Sie spezifizieren, ob der Artikel eingekauft statt produziert werden soll. Zuletzt bestimmen Sie über die Option '''Bauteile prüfen''', ob bei einem sich ergebenden Produktionsbedarf auch die Bestände der Bauteile geprüft werden sollen oder nicht. In der Regel ist diese Option bereits aktiviert und das ergibt auch sehr viel Sinn. Denn erst durch die Prüfung der Bauteile kann festgestellt werden, ob denn von den Komponenten der Produkte genügend am Lager sind oder ob diese ebenfalls nachproduziert werden.
Nach Klick auf '''Weiter''' merkt sich profacto für jeden Artikel, zu dem ein Produktionsbedarf besteht, die zu produzierende Menge und hinterlegt den Artikel mit dieser Menge zur Einstellung in einen Fertigungsauftrag. Gleichzeitig wird die komplette Bedarfsmenge des Artikels reserviert.
In den nun folgenden Schritten wiederholt sich die Prüfung auf Bedarfs- und Produktionsmengen solange, bis für die Stücklisten der Produkte alle Baugruppen durchlaufen worden sind. Zum Schluß wird dann ein Fertigungsauftrag angelegt, der dokumentiert, welche Mengen welcher Artikel zu fertigen sind.
Die Reihenfolge, in der die Positionen im Fertigungsauftrag angelegt sind, entspricht einer optimierten Fertigungsfolge, so daß Komponenten, die andere Komponenten benötigen, später aufgeführt werden als ganz elementare Komponenten, die in vielen anderen Artikeln Verwendung finden.
Brechen Sie die Disposition an einer beliebigen Stelle ab, wird kein Fertigungsauftrag erzeugt und die Reservierungen werden wieder zurückgenommen.

Terminliche Eingrenzungen

  • Trägt man im Kundenauftrag auf der Seite PPS einen Fertigungstellungstermin ein, dann wird dieser als Zieltermin für die Verfügbarkeitsprüfung verwendet. Ist kein Termin eingetragen, dann wird die Verfügbarkeit ohne Termin geprüft
  • Bei der Prüfung der Verfügbarkeit werden nur Bestellungen geprüft, die auf Lager oder das Gemeinkosten bestellt worden sind, mindestens den Status Lieferzusage und maximal den Status Teilgeliefert besitzen
  • Es werden Fertigungsaufträge geprüft, die als Fertigstellungstermin einen Termin kleiner des Zieltermins haben sowie den Status AB besitzen.

Bedarfsvorschau

Die Funktion Bedarfsvorschau erlaubt die Durchführung einer Fertigungsdisposition ohne Reservierungen und ohne Erzeugung eines Fertigungsauftrags. Außerdem bezieht die Bedarfsvorschau auch elementare Stücklistenteile mit ein, damit auch Trägermaterialien bzw. Beschläge und Zukaufteile in der Gesamtzusammenstellung dargestellt werden können.
Die Bedarfsvorschau nutzt ebenfalls die oben beschriebenen Terminangaben zur Ermittlung eines Produktionsbedarfs zu einem gegebenen Termin.
Die Zusammenstellung kann durch Markierung der Zeilen und rechte Maustaste->Kopieren in die Zwischenablage kopiert werden, um dann in Excel oder anderer Tabellensoftware weiterverarbeitet zu werden.

Zeitdisposition

In einem weiteren Schritt erfolgt nun die Zeitdisposition. Hierzu wählen Sie den eben erzeugten Fertigungsauftrag, oder auch mehrere, an und rufen das Menükommando "Zeiten disponieren" auf.
Mit dieser Übersicht wird auf 3 Detaillierungsebenen angezeigt, welche Zeiten an Stücklistenteilen zum markierten Auftrag hängen:

  • Die Kostenstellenzusammenfassung summiert die Zeiten pro Kostenstelle
  • die Arbeitsgangzusammenfassung summiert nach Arbeitsgangbezeichnung
  • Die Einzeldarstellung zeigt jede Vorgabezeit

Auf jeder der drei Detaillierungsebenen kann nun entschieden werden, ob diese Tätigkeiten intern durchgeführt werden oder extern vergeben werden. Eine externe Vergabe führt dazu, daß bei Durchführung einer Reservierung über das Projekt die externen Artikel an den entsprechenden Vorgabezeiten reserviert werden und somit Dienstleistungen eingekauft werden. Dies ist mit entsprechender Vorsicht handzuhaben, sind die Vorgabezeiten nicht sauber eingerichtet, klappt diese Vorgehensweise nicht wie erwartet.

Einstufige vs. mehrstufige Fertigung

Disclaimer: die hier vorgenommene Definition ist empirisch entwickelt und bedient sich Terminologien die im akademischen Umfeld ggf. eine andere Bedeutung haben. Die Ausführungen beziehen sich in dieser Form auf die Nutzung von profacto als ERP-System.
Im Rahmen der Fertigungsdisposition muß man sich über eine Grundsatzfrage im Klaren sein: Einstufige Fertigung vs. mehrstufige Fertigung.

  • Bei der einstufigen Fertigung wird ein Produkt auf Basis der Stückliste in einem Zug gefertigt. Zwischenprodukte kommen zwar vor, sind jedoch nicht explizit dokumentiert sondern Ergebnis des laufenden Fertigungsprozesses. Stücklisten können in diesem Kontext mehrstufig entwickelt werden, dies passiert aber in erster Linie aus Strukturierungsgründen.
  • Bei der mehrstufigen Fertigung entsteht ein Produkt über verschiedene Zwischenstufen, Halbfertigerzeugnissen. Jedes dieser Halbfertigerzeugnisse ist eindeutig durch eine Artikelnummer definiert und kann dementsprechend auch lagermäßig gebucht werden. Bei dieser Strategie gilt folgende Regel: Produkt A besteht aus einer Liste von Produkten A1 bis An, wie in der Stückliste zu Produkt A zu sehen. Produkt A1 bis An werden als "black box" betrachtet, d.h. der weitere Aufbau dieser Produkte interessiert nicht, sie werden einfach als gegeben hingenommen. Dementsprechend wird jede Stückliste bei der mehrstufigen Fertigung als einstufig betrachtet - weil sich Produkt A einfach als Zusammensetzung einer Sammlung von bereits vorproduzierten Produkten A1 bis An präsentiert.

Die Mehrstufigkeit ergibt sich jetzt dadurch, daß die Produkte A1 bis An nicht zwingend in ausreichender Menge am Lager vorhanden sein müssen. Folglich wird nun in einem weiteren Prüflauf für jedes Produkt Ax in A1 bis An geprüft, inwieweit dessen Komponenten vorhanden sind, um den Zusammenbau von Ax zu veranlassen. Diese Prüfung findet erneut nur auf Ebene 1 der Stückliste von Ax statt.
Exakt diese Vorgehensweise wird bei der Erzeugung von Fertigungsaufträgen genutzt. Die mehrstufige Fertigung wird in profacto erzwungen, indem man im Artikel bzw. in der Projektposition die Option Artikel mit angehängter Stückliste nicht produzieren aktiviert.